"Indem wir verschiedene Disziplinen wie Computer Vision, Robotik, Spektralbildgebung und künstliche Intelligenz (KI) wie maschinelles Lernen zusammenbringen, können wir intelligente integrierte Computer Vision- und Robotiksysteme für den Agrar- und Ernährungssektor entwickeln, die sowohl den Menschen als auch dem Planeten zugute kommen", sagt Paul Goethals. Er ist Business Development Manager bei Vision+Robotics, einem Forschungsprogramm innerhalb der Wageningen University & Research, wo diese Disziplinen zusammenkommen und mit der Industrie an konkreten Anwendungen arbeiten. In diesem Artikel erläutert er die neuesten Trends und Entwicklungen auf diesem Gebiet.
"Der Einsatz von Sensoren aller Art in der Agrar- und Ernährungswirtschaft hat einen Boom erlebt und wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen", so Goethals. "In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die großen Datenmengen, die von diesen Sensoren erzeugt werden, schnell und genau analysiert werden können. Ein Beispiel dafür ist die Computer Vision, bei der immer ausgefeiltere Kameras eingesetzt werden, um die innere und äußere Qualität von Agrar- und Lebensmittelprodukten zu bestimmen. Dank schneller und präziser Datenmodelle, die durch KI unterstützt werden, kann man zu objektiven Managementinformationen gelangen, die u. a. operative Entscheidungen schneller und besser unterstützen."
Einer der Schwerpunkte des Programms Vision+Robotics ist die hyperspektrale Bildgebung. "Mit Spezialkameras werden Produkte gescannt, um Veränderungen in der inneren Molekularstruktur aufzudecken. Dies kann einen enormen Mehrwert für den Lebensmittelsektor bedeuten. So kann man beispielsweise die Süße eines Apfels messen, ohne ihn anschneiden zu müssen. Auch der Feuchtigkeits-, Protein- oder Stärkegehalt von Agrarerzeugnissen kann genau überwacht werden. In der Lebensmittelindustrie kann man so die Prozesse in den Produktionslinien in Echtzeit anpassen, sobald bestimmte Abweichungen auftreten. Die Ausrüstung wird immer besser und schneller, und die Modelle werden immer leistungsfähiger. KI und insbesondere maschinelles Lernen helfen bei der Interpretation und Verarbeitung von Bildern."
Eine weitere Entwicklung ist die Flexibilisierung der Produktionslinien. "Traditionelle Produktionslinien verarbeiten große Mengen desselben Produkts, aber aufgrund der vielfältigeren Verbrauchernachfrage gibt es einen Trend zu kleineren Produktionslosen mit größerer Variation. Dies führt zu erheblichen Umrüstzeiten in den Produktionslinien. Mit flexiblen Arbeitsplätzen kann dieses Problem verringert werden. Derzeit stecken flexible Arbeitsplätze noch in den Kinderschuhen, aber sie werden in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen. Flexible Arbeitsstationen ermöglichen es lebensmittelverarbeitenden Unternehmen, Roboter automatisch verschiedene Arbeitsgänge ausführen zu lassen, die direkt von den Spezifikationen einer bestimmten Produktionscharge gesteuert werden."
Die einfache Programmierung von Robotern ist daher auch ein Forschungsbereich im Rahmen des Programms Vision+Robotics. "Wir erwarten, dass Roboter und Cobots nach dem Vorbild des menschlichen Verhaltens trainiert werden. Arbeiter führen Handlungen aus, eine Kamera nimmt alles auf und dann werden die Bilder automatisch analysiert und an den Roboter übertragen, der damit arbeiten kann. Das Ziel ist, dass eine manuelle Programmierung nicht mehr erforderlich ist. Wir führen derzeit ein Projekt durch, in dem dies untersucht wird. Das hat ein riesiges Potenzial. Und wenn man Operationen auf einen Roboter übertragen kann, dann kann man sie leicht auf andere Roboter in der Produktionslinie oder sogar an anderen Produktionsstandorten ausweiten."
Daten werden immer wichtiger. "Die Lebensmittelbranche nutzt zunehmend digitale Zwillinge, bei denen die Produktionslinien in einer virtuellen Umgebung simuliert werden. Aber man kann hier noch einen Schritt weiter gehen. Wir erforschen derzeit, wie man die Bewegungen von variablen Produkten wie Gemüse, Obst oder Fisch auf einer Produktionslinie digitalisieren kann. Wie fallen die Produkte auf einem Fließband aus einer Kiste, wie liegen sie übereinander und wie kommen sie zum Arbeitsplatz? Wenn man auch das digitalisieren kann, kann man den gesamten Prozess vorab im Computer simulieren und die Aktionen der Roboter entsprechend trainieren. In diesem Bereich ist schon viel möglich, wenn es um logistische Abläufe geht, wie zum Beispiel das Verpacken und Bewegen von Kartons mit einer festen Form. Wir sind jetzt dabei, den Schritt zum variablen Produkt zu machen, damit Roboter auch solche Produkte leichter mit Greifern greifen können."
Greifer sind und bleiben wichtig. "Auch hier finden viele Entwicklungen statt. Noch vor kurzem war es undenkbar, empfindliche Produkte wie Beeren oder Erdbeeren mit einem Roboter zu greifen, da sie leicht beschädigt werden können. Es kommen immer mehr Soft-Greifer auf den Markt, die pneumatisch angetrieben werden, aus weichem Material bestehen und unter anderem mit den nötigen Sensoren ausgestattet sind. So lässt sich die richtige Empfindlichkeit einstellen und sicherstellen, dass die Produkte nicht beschädigt werden. Diese Art von Greifern erobern derzeit den Markt und wir setzen sie auch in unserer Roboterentwicklung ein."
Letztendlich werden mehrere Technologien zusammenwachsen. "Denken Sie zum Beispiel an flexible Roboterstationen mit Computervision, die schnell fortschrittliche Greifer wechseln und auf der Grundlage der Nachahmung menschlichen Verhaltens programmiert werden können. Dies ist nur mit einer Vielzahl von Daten über die Umgebung des Roboters möglich. Die Robotik der Zukunft ist also stark datengesteuert. Eine schnelle und leistungsfähige Dateninfrastruktur ist daher ebenfalls notwendig, um dies zu realisieren. Erfreulicherweise werden auch in diesem Bereich die notwendigen Schritte nach vorne gemacht."